Reiseführer Tampere
Gastbeitrag vom Reisejournalisten Klaus Herzmann
Finnland ist eine Naturidylle mit unendlich vielen Seen und schier endlosen Birken- und Fichtenwäldern. Aber auch mit zahlreichen kulturellen Leckerbissen, wie das quirlige Tampere im Süden des Landes bestätigt. Und vor den Toren der Stadt? Da warten gleich zwei fasziniernde Nationalparks auf den wildnisbegeisterten Wanderer.

Finnland ist in jeder Hinsicht etwas Besonderes. Zum einen ist es beinahe so groß wie Deutschland – hat aber nur 5,5 Millionen Einwohner. So ist die südfinnische Stadt Tampere mit nur etwas mehr als 200.000 Bewohnern bereits die drittgrößte Stadt des Landes! Zum anderen ist in Finnland selbst das Stadtleben eng mit der Natur verbunden. Tampere liegt auf einer schmalen Landenge zwischen den malerischen Seen Näsijärvi und Pynäjärvi. Nicht weit entfernt finden Reisende unberührte Wildnis in den Nationalparks Seitseminen und Helvetinjärvi. Die Stadt selbst bietet trotz ihrer Größe einen unwiderstehlichen Kleinstadtcharme. Der Reisejournalist Klaus Herzmann und seine Frau haben einen Städtetrip nach Tampere gemacht und die umliegenden Nationalparks erkundet. Ihre Erfahrungen haben sie für uns in einem Reisebericht festgehalten.
Tampere – das Tor zum finnischen Seengebiet
Für die traditionelle Anreise wählen wir wie schon so oft die Finnlines-Fähre, die nach 30 Stunden und einer Strecke von 611 Seemeilen von Travemünde aus in den Hafen von Helsinki einläuft. Als wäre es nur eine Laune der Natur gewesen, verziehen sich die dunklen Gewitterwolken über Helsinki und tauchen die Hauptstadt in den frühen Morgenstunden in ein bezauberndes Licht. In der Ferne erhebt sich der markante Dom, das Wahrzeichen der Stadt, mit seinen grünen Kuppeln aus einem Meer an Häusern. Was uns direkt wieder begeistert, sobald wir von der Fähre fahren: Niemand drängelt hier, alles ist entspannt.

Gemütlich rollen wir so unserem Ziel entgegen. Tampere liegt gerade einmal zwei Autostunden von der Hauptstadt entfernt und gilt als beliebter Ausgangsort für Wanderaktivitäten in die beiden Nationalparks Seitseminen und Helvetinjärvi. Doch erst einmal zu Tampere selbst: Die Stadt ist nämlich auch ganz alleine eine Reise wert. Finnlands drittgrößte Metropole und größte Binnenstadt der nordischen Länder ist auch die bedeutendste Industriestadt im Lande. Traumhaft gelegen zwischen den Seen Pyhäjärvi und Näsijärvi, die durch die Tammerkoski-Stromschnellen verbunden sind. Der Schotte James Finlayson gründete hier einst die erste große Textilfabrik, die maßgeblich zum wirtschaftlichen Aufschwung Finnlands beitrug. Ein wirklich imposantes Gelände, auf dem Besucher heutzutage Museen, Restaurants, Cafés und vieles mehr finden.
Sehenswürdigkeiten in Tampere
Dem nicht genug, denn an Sehenswertem fehlt es hier nicht: Ein imposanter Dom, der zentrale Platz mit Theater und Rathaus, das weltweit einzige Muminmuseum, einladende Parkanlagen und nicht zuletzt die schöne Kauppahalli (Markthalle) voller Köstlichkeiten, um nur wenige Attraktionen zu nennen. In Letzterer lässt es sich herrlich bummeln und natürlich auch schlemmen. Die kleinen Essstände kredenzen im gemütlich einfach rustikalen Ambiente Leckereien aus aller Herren Länder. Aber natürlich auch regionale Spezialitäten. Schon einmal Mustamakkara probiert? Eine Art von Blutwurst, gebacken und mit Preiselbeer-Soße serviert. Zugegeben, der erste Bissen war zögerlich, zum Schluss wurden es gleich zwei Portionen. Sehr lecker!
Wandern in Tampere – Urwälder, Moore und Schluchten
Die Nationalparks Seitseminen und Helvetinjärvi liegen etwa 50 km von Tampere entfernt. Vorab empfiehlt sich der Besuch im Nature Center Kulomäki im Nationalpark Seitseminen. Hier werden zentral gleich beide Nationalparks verwaltet. Hier gibt es detaillierte Karten zu den einzelnen Routen, die Besucher kostenfrei mitnehmen können. Von einstündigen Wanderungen bis hin zu Tagetouren ist unter den zahlreichen Touren wirklich für jeden etwas dabei. Und das Schöne daran: Viele sind auch für Familien mit Kindern geeignet. Wir schnüren die Wanderschuhe, streifen den Rucksack mit dem Tagesproviant über und wählen zum Einstimmen den kleinen Naturtrail Saari-Soljanen am gleichnamigen See. Ein leichter kurzer Trip durch Moor und Wald, der zu einer Aussichtsplattform führt. Der morastige Boden um uns herum ist fast flächendeckend mit Moltebeeren bewachsen, jene orangegoldene Frucht, die rein äußerlich sehr an unsere Brombeere erinnert und äußerst schmackhaft ist.
Seitseminen – Bullerbü-Idylle in Finnland
Im 1982 gegründeten Schutzgebiet Seitseminen herrschen anregende landschaftliche Gegensätze zwischen Urwäldern, Seen und Teichen, Kiesrücken, dunklen Mooren und Sümpfen. Bis 1920 wurden hier großflächig Bäume gefällt und Moore entwässert, wovon bis heute eine ehemalige Waldarbeiterunterkunft am See Pitkäjärvi zeugt. Wirklich eine interessante Wegmarke, wie wir erfahren dürfen. Eilig ziehen hier die Schäfchenwolken und zeichnen dramatische Kontraste mit einer Farbfülle, wie wir sie nur selten zuvor gesehen haben. Durch lauschigen Wald setzen wir unsere Tour fort und erreichen wenig später Multiharju, wo wir einen Zwischenstopp bei den Infotafeln einlegen. Rasten, die Beine baumeln lassen, einfach entspannt diesen herrlichen sonnigen Sommertag feiern. Kovero ist ein weiterer Höhepunkt auf dem Seitakierros Trail.

Ein restaurierter Kätnerhof, wo heute anschaulich traditionelle Arbeitsmethoden vorgestellt werden. Irgendwie erinnert er uns an Bullerbü in Schweden. Ein Wohlfühlort ohne Zweifel, wo wir an der Brunnenpumpstation unsere Getränkeflaschen mit kühlem Quellwasser befüllen. Dem Ausgangspunkt ganz nahe folgt ein schönes Wegestück auf das Nächste, ein See auf den anderen. Wen wundert es, sind wir doch in Finnland, dem seenreichsten Land der Welt unterwegs.
Helvetinjärvi – Wanderung durch die Höllenschlucht
Der Helvetinjärvi ist ein See in der finnischen Gemarkung Pirkanmaa, welcher das Zentrum des gleichnamigen Helvetinjärvi-Nationalparks bildet. Besonderen Reiz bilden hier die spektakulären Felsformationen, die sich in Jahrmillionen durch permanente Erdbewegungen tief im Inneren des Erdreiches gebildet haben. Wo in den Wintermonaten bewegungsfreudige Finnen auf Langlaufskier ihre Runden drehen, sind es im Frühjahr und Sommer die Kanuten und Wanderer, denen die Landschaft gehört. Unbestreitbarer Höhepunkt ist Helvetinkolu (Höllenschlucht), die auf die Besucher einen magischen Reiz ausübt. Von Haukanhieta aus, was im westlichen Teil des Nationalparks liegt, wollen wir starten. Eine Wanderung, die über Stock und Stein führen soll und wegen so manchem Anstieg doch ein Minimum an Kondition abverlangt. So heißt es zumindest auf der Informationstafel am Ausgangspunkt. Ziel ist der Höllensee, ein landschaftlich von Wäldern und Bergrücken eingerahmtes Naturschauspiel. Die erste Steigung nehmen wir sportlich, wandern über Holzstege, die durch üppig Moose und Sträucher flankiert werden. Wir streifen so manchen kleinen See, der idyllisch daliegt. Und dann liegt er plötzlich vor uns der Helvetinjärvi (Höllensee), der schon so viele Künstler und Dichter in der Vergangenheit inspirierte.

Zum Höllensee wurde das Gewässer der Legende nach durch einen Hexenmeister der Hechte fing, mit einem anderen in Streit geriet und kurzerhand den See verfluchte. Ein magischer Ort, der zum Sprung ins erfrischende Nass einlädt. Darüber hat die Natur eine tiefe Schlucht gegraben, die sich hier als tiefen Einschnitt in den Bergrücken zeigt. Was hat man von hier oben eine grandiose Aussicht. Die Felsen von der Sonne aufgewärmt, lässt es sich ganz feudal rasten.
Tampere auf einen Blick
Beste Reisezeit
Die Jahreszeiten sind in Finnland stark ausgeprägt – und jede Saison hat ihren eigenen Reiz. Die klassische Reisezeit ist Anfang Juni bis Ende August: Die warmen Sommertage laden zum Stadtbummel oder zu entspannten Wanderungen ein. Abkühlen kann man sich in einem der zahlreichen Seen. Schon ab Mitte August wird es deutlich ruhiger in Tampere. Im September beginnen die Laubwälder entlang der Ufer sich in die schönsten rot-goldenen Farben zu tauchen. Tagsüber ist es im Indian Summer noch angenehm warm, nachts allerdings schon leicht frostig. Der Herbst ist auch die Zeit für Heidelbeeren, Preiselbeeren und Pilze aller Art. Der Winter taucht das ganze Land in ein weißes Kleid. Genau richtig für lange Schneewanderungen, Eisangeln, Schlittschuhfahren, Langlaufskifahren – und natürlich Eisbaden in den gefrorenen Seen!
Anreise
Von Lübeck-Travemünde kommen Sie mit den Finnlines-Fähren direkt nach Helsinki (tägliche Abfahrten, Dauer: 30 Stunden, 2 Übernachtungen an Bord). Von Helsinki aus sind es rund 180 km bis nach Tampere. Die Nationalparks liegen ca. 50 km vom Stadtzentrum entfernt und sind über Kantatie 65/Route 65 und Route 332 zu erreichen.
Übernachtung
Typisch finnisch ist die Übernachtung im Ferienhaus (auf finnisch Mökki). Es gibt zahlreiche Feriendörfer und Ferienhausvermieter in Tampere und Umgebung. Viele Campingplätze bieten zudem Miethütten an. Innerhalb der Stadt finden Urlauber zahlreiche Hotels und Hostels. Einen besonderen Charme hat beispielsweise das Lillan Boutique Hotel im schönen Gartendistrikt Viinikka.
Literatur/ Karten / Apps
Landskarte Finnland Süd, ISBN: 978-3-8317-7395-4, 9,95 Euro.
Kauderwelsch Finnisch Wort für Wort, ISBN: 978-3-8317-6535-5, 9,90 Euro.
Detaillierte Kartenblätter der einzelnen Routen liegen im Nationalparkzentrum Seitseminen kostenfrei aus.
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